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J E N S     W I E S N E R
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F R E I E R     J O U R N A L I S T   &  

F O T O G R A F I S C H E     A R B E I T E N

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 BUCHKRITIK

 

black robed silouette with cross on forehead

©Bastei Lübbe

Dan Brown: Neues vom Meister der Wiederholung

Nach "Illuminati" und "Sakrileg" hat US-Bestsellerautor Dan Brown den dritten Roman rund um den Harvard-"Symbologen" Robert Langdon veröffentlicht: "Das verlorene Symbol".

Unter einem Vorwand wird Professor Robert Langdon nach Washington D.C. gelockt - angeblich um an einer Konferenz seines alten Freundes und Mentors Peter Solomon teilzunehmen. Der ist nicht nur hoch geschätzter Leiter des Smithonian-Museums, sondern auch Führungsmitglied der amerikanischen Freimaurerloge. Doch anstelle eines voll besetzten Vorlesungssaals findet der Harvard-"Symbologe" Langdon die abgetrennte Hand seines alten Freundes - aufgespießt und mit einem seltsamen Geheimcode tätowiert.

Gemeinsam mit Solomons Tochter, der Wissenschaftlerin Katherine, bricht Langdon auf, um seinen Mentor zu befreien. Denn nur wenn es den beiden gelingt, die uralten Geheimnisse der Freimaurer zu entschlüsseln, kann Peter Solomon noch gerettet werden.

Besprechung

Man erfinde eine Schnitzeljagd mit religiösem Touch, stelle Professor Langdon einen weiblichen Nebencharakter zu Seite und lasse beide gegen einen verrückten Gegenspieler antreten. Die Dan Brown-Formel ist einfach - und überaus erfolgreich.

Dabei sind Browns Bücher wahrlich keine literarischen Meisterwerke - ganz im Gegenteil: Seit "Illuminati", dem ersten Roman über Robert Langdon, variiert die Erzählstruktur in Browns Werken nur noch um wenige Nuancen. Das ist sicherlich geschäftstüchtig zu nennen, spricht aber nicht gerade für die überbordende Kreativität des Autors.

Stärke beweist Brown dagegen, wenn es darum geht, Spannung zu erzeugen und reale Fakten mit fiktiven Ideen zu verweben. Dass er dabei religiöse und kulturelle Anekdoten ohne Rücksicht auf Verluste durcheinander würfelt, nimmt er zugunsten eines spannenden Plots billigend in Kauf. Was zählt, ist letztlich das Ergebnis: ein kunstvoll arrangiertes, auf den ersten Blick logisch erscheinendes Puzzle. Dabei entwickelt Brown eine geradezu spitzbübische Freude, seinen Lesern die Hand zu reichen, um sie im Fortgang der Lektüre auf galante - und manchmal etwas oberlehrerhafte - Art zu des Rätsels Lösung zu führen.

Alte Fakten als neu verkauft

Sachverhalte, die unter Wissenschaftlern und Theologen längst als alter Hut gelten, verkauft der amerikanische Autor dabei augenzwinkernd als "große Geheimnisse". Etwa das alt bekannte Faktum, nach dem die Grenzen zwischen Kultur und Religion fließend und keineswegs frei von Widersprüchen sind: Tatsächlich wurde das Christentum in seiner westeuropäischen Ausprägung von vorhergegangenen heidnischen Kulten beeinflusst. Tatsächlich finden längst vergessene religiöse Traditionen heute ein Weiterleben in säkularen Handlungen. Und tatsächlich wird der erste amerikanische Präsident George Washington auf einem Fresko des Kapitols als Gott dargestellt.

Brown genießt es sichtlich, seinen Lesern derartige Merkwürdigkeiten und Ungereimtheiten unter die Nasen zu reiben. Deutlich wird dies etwa, wenn er Robert Langdon den sonntäglichen christlichen Gottesdienst beschreiben lässt: "Am Tag des heidnischen Sonnengottes Ra knie ich mich vor ein altertümliches Folterinstrument und verspeise auf symbolische Weise Fleisch und Blut".

Im Mittelpunkt: Die Freimaurer

Doch bei aller christlichen Symbolik: In Browns neuestem Werk geht es nur noch am Rande um die Geschichte des Christentums oder eine Kritik an der römisch-katholischen Kirche. Standen in den Vorgängerbänden noch dezidiert christlich-katholische Themen wie die Wahl des Papstes und die Frage der Nachkommenschaft Jesu im Vordergrund, lenkt der Autor den Fokus seines dritten Langdon-Romans nun auf die Geheimgesellschaft der Freimaurer.

Die Intention ist offensichtlich: Brown charakterisiert die Freimaurer als ideale, aber missverstandene spirituelle Vereinigung. Eine Gesellschaft, in der nicht nur Vertreter unterschiedlichster Religionen, sondern auch kritische Köpfe der Wissenschaft harmonisch zusammenleben und über den Glauben philosophieren können. So treffen wir im Verlauf der Geschichte nicht nur auf einen blinden Dompropst, der zudem eine Führungsposition bei den Freimaurern inne hat, sondern erfahren auch von Logenmitgliedern islamischen und hinduistischen Glaubens. 

Wissenschaft + Religion = ?

Dabei offenbart sich wieder das Grundbedürfnis des Autors, das sich durch alle Brown'schen Bestseller zieht: Sein Bestreben, Religion und Mystik ein für allemal mit der säkular-wissenschaftlichen Welt auszusöhnen. Denn Browns Bücher durchweg als Ablehnung alles Religiösen und als unbedingten Lobgesang auf die Wissenschaft zu deuten, hieße den Sohn eines Mathematikprofessors und einer Kirchenmusikerin grundsätzlich misszuverstehen.

Vielleicht liegt gerade darin der Erfolg von Browns Büchern begründet. Mystische Abenteuergeschichten mit religiösen Inhalten gibt und gab es zuhauf - auch lange vor der Ära Brown. Doch dessen Langdon-Reihe zeichnet eine Besonderheit aus, die sie von anderen Kirchenthrillern unterscheidet: Hinter einer auf den ersten Blick schlichten Abenteuergeschichte versteckt sich eine Botschaft, die vielen Menschen der heutigen Zeit aus der Seele zu sprechen scheint: Die Hoffnung, irgendwann einmal die beiden Gegensätze in uns - die rational-wissenschaftliche und die emotional-religiöse Seite - miteinander aussöhnen zu können.

Der Text ist am 2010 auf katholisch.de erschienen, mittlerweile aber nur noch über die Waybackmachine erreichbar.