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F R E I E R     J O U R N A L I S T  & 

F O T O G R A F

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Ein Landei zieht in die Stadt. Und findet, dass das Leben unter Millionen von Menschen genauso merkwürdig ist wie in seinem alten Kuhdorf.

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 GLOSSE

 

Glühlampe mit Smiley-Gesicht

©Jens Wiesner

Mit leuchtendem Beispiel voran

Der Autor will eigentlich nur eine Glühbirne kaufen. Und muss erkennen, dass sich die Auswahl im Baumarkt ein klein wenig vergrößert hat.

Neulich schlenderte ich mit einer Freundin durch einen Baumarkt in Neukölln. Die Glühbirne in der WG-Küche hatte ihren Wolframdraht aufgegeben, jetzt musste eine neue her. Die Abteilung "Leuchtmittel" befand sich im ersten Stock, eine Rolltreppe trug unsere müden Körper surrend hinauf. "Hier sind sie schon", sagte meine Freundin und zeigte auf einen Restpostenstapel konventioneller 60-Watt-Birnen. Der findige Marktleiter hatte die EU-Ärgernisse in einer Auslage entlang unserer Fahrt ins Leuchtenparadies platziert - zum Sonderpreis. "Ach nee", warf ich ein. Da gebe doch jetzt diese Neuen. Viel umweltfreundlicher und verbrauchen weniger. Meine Freundin zuckte mit den Schultern und legte den labbrigen Pappkarton zurück. Umweltfreundlich sein ist gerade gesellschaftliche Pflicht und günstig immer gut.

In der Abteilung "Leuchttmittel" erstarrten wir erst einmal vor Reizüberflutung: Millionen Legionen gläserner Formen strahlten uns farbenfroh von ihren Regalplätzen an. "Kauf mich", raunte die 'Concentra Reflektor 40 W'. "Nein, nimm mich", insistierte die Energiesparlampe 'Duluxstar Minitwist 11 W'. Als ich versuchte, ihrem gewundenen Körper Marke 'Heißer Draht' mit meinen Augen zu folgen, wurde mir schwindelig. Doch da kreischte auch schon die LED 'Parathom Classic B 0,5 W' wie ein wildgewordenes Fegefeuer: "Ich brenne länger als alle anderen zusammen!!!"

"Ja, ja, die 'Parathom'!" riss mich eine menschliche Stimme zurück ins Hier und Jetzt. Verwirrt drehte ich mich um. Eine Frau, ungefähr in ihren Vierzigern, hatte sich an uns herangeschlichen. Ich schaute sie fragend an. Die mitteilungsbedürftige Kundin missverstand den Blick und legte los: "Wechselt die Farbe, ist aber nicht dimmbar. Dafür hat sie Effizienzklasse A und erreicht ihr Leuchtmaximum ohne Verzögerung."

"Qualität hat ihren Preis!"

"Leuchtmaximum?", fragten meine Freundin und ich wie aus einem Mund. Bislang kannten wir die Glühbirne nur als binäres Wesen. An: hell. Aus: dunkel. Die Dame mit dem umfangreichen Glühbirnenwissen klärte uns auf: Viele Energiesparlampen bräuchten bis zu einer Minute, um ihre volle Helligkeit zu erreichen. Das wollten wir nicht. Meine Freundin griff zur 'Parathom' - und zuckte plötzlich zurück, als hätte eine Kobra ihre Fänge in ihren Handrücken geschlagen. "Die kostet ja 13 Euro."

"Jaja, Qualität hat ihren Preis", sagte die Frau wie ich befand nun etwas zu oberlehrerhaft. "Aber günstiger geht es natürlich auch. Haben Sie sich denn schon Gedanken darüber gemacht, ob es eher warmes oder kaltes Licht sein soll?"

Mein Blick wanderte durch die Regale auf der Suche nach Leuchtmitteln in Fragezeichenform. "Na, Glühbirnenlicht halt", sagte meine Freundin schließlich. Die Frau rümpfte hörbar die Nase. Sie hatte es offenbar mit zwei Glühbirnenbanausen zu tun. Der anschließende Vortrag zu Lumenstärke, Lichtempfinden und Stromverbrauch flog zu einem meiner Ohren hinein, zum anderen hinaus.

Im Lichte der Vergangenheit

Meine Freundin hatte derweil die Ablenkung genutzt, um auf eigene Faust in den Regalen zu stöbern. Und was ich jetzt in ihren Händen erblickte, sah einer guten alten Glühbirne fast ähnlich. Keine Frank-Gehry-Gedächtnisform, sondern angenehm bauchig. Keine seltsamen Farben und Schattierungen auf der Glasoberfläche. Und auch der Preis erschien mir mit vier Euro plötzlich richtig günstig. Ohne es zu wollen, reckte sich meine rechte Faust in Siegerpose gen Baumarktdecke.

"Ja, die 'Eco Classic A 28 W'", erkannte die Dame treffsicher. "Halogen. Aber immer noch ein ganz schöner Stromfresser. Halogenlampen sollen in ein paar Jahre ja auch von der EU verboten werden. Ich würde Ihnen ja eher zur..." "Egal", hörte ich mich noch rufen, da waren wir schon um die Ecke gebogen. "Die ist super. Und danke nochmal!"

Auf dem Weg zur Kasse atmete ich erleichtert aus, als mich meine Freundin plötzlich in die Seite stupste: "Duuu, hier auf der Packung steht, 28 Watt Halogen gleich 40 Watt normal. Ist das nicht etwas dunkel?" Ich raunte etwas von gemütlich und kuschelig und ob sie wirklich zurück zu der verrückten Glühbirnenfrau wolle. Nein, wollte sie nicht.

Als wir die Rolltreppe herunter fuhren, fielen unsere Blicke auf den Restpostenstapel. Die halbe Strecke hielten wir tapfer durch, dann schaute sich meine Freundin kurz suchend um, legte die "Eco Classic A 28 W" diskret zu ihren Ahnen und steckte ein stromfressendes 60-Watt-Exemplar in ihre Tasche. "Zur Hölle mit der Umwelt", sagte sie. Ich nickte. Und griff gleich zweimal zu. Man kann ja nie wissen.