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Gloria Veeser: Warum Bücher in Busse gehören (Stadtteilreporter Abendblatt)

Leicht zu verwechseln mit dem Projekt "Buchhaltestelle" der VHH sind die Hamburger Bücherbusse, quasi eine rollende Leihbibliothek in Mitte, Harburg und Bergedorf. Infos und Fahrpläne dazu hier.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 HAMBURG

 

Buecherbus von innen

©Jens Wiesner

"Buchhaltestelle" in Hamburg: Busfahren mit Hesse und Pilcher

Wer ein bisschen Glück hat, kann in Hamburger Bussen seiner Leselust frönen. Hundert Busse sind mit Bücherregalen ausgestattet. Ich habe einmal nachgefragt, wie das ganze funktioniert.

Neulich bin ich mal wieder in einen Bus gestiegen. Nicht freiwillig, versteht sich. Aber zurzeit ist mal wieder Schienenersatzverkehr angesagt  – und das Fahrrad dank Frau Holle nur mit Schneeketten nutzbar. Nun erwarte ich nicht viel von einer Busfahrt in Hamburg: Eigentlich reicht es mir schon, wenn sich der Verkehr nicht übermäßig staut und der Mensch, der zuvor meinen Sitzplatz besetzt hielt, seinen alkoholgebeutelten Magen nicht auf selbigen entleert hat.

So traf mich der Anblick eines Bücherregals voll Lesestoff völlig unvorbereitet. Bücherregale, die gehören ins Wohnzimmer, in die Bibliothek, ins Büro – aber doch nicht in einen Bus. In Hamburg offenbar doch. „Buchhaltestelle“ heißt das Konzept, das es schon seit April 2010 gibt, und mich ollen bibliophilen Bücherwurm gleich in Verzückung versetzte. Doch schon nach zehn Minuten hieß es, Abschied nehmen: Zwei Seiten hatte ich geschafft, da war mein Gefährt bereits am Ziel. Und weil ich das Buch nicht einfach so stibitzen wollte, wanderte es eben zurück ins Regal und ich in die Kälte.

Schöne Idee,  dachte ich. Aber wer kriegt schon ein ganzes Buch während einer Busfahrt durch? Meine Neugier war jedenfalls geweckt, wie das Ganze funktionieren soll – und so rief ich kurzerhand beim Busbetreiber VHH, den  Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein an. Und weil die Pressestelle erwartungsgemäß sehr stolz auf das Projekt ist, gab man mir bereitwillig Antwort.

Mitnehmen erlaubt

Zunächst einmal: „Die Bücher darf man gern mit nach Hause nehmen – und auch behalten, wenn man möchte“, erklärte mir Pressesprecher Martin Beckmann. Daran gehindert, die ausgelesenen Werke später zurück zu stellen, werde freilich niemand. Die Regale, so erfuhr ich weiter, werden vom Gebrauchtwarenkaufhaus Stilbruch, einer Tochter der Stadtreinigung, befüllt.  Die Bücher stammen also aus Haushaltsauflösungen und sind für die VHH kostenlos. „Stilbruch liefert regelmäßig an die Betriebshöfe. Wenn die Fahrzeuge für Pflege und Wartung die Betriebshöfe durchlaufen, werden die Regale nachgefüllt, in der Regel ein- bis zweimal die Woche.“ Gleichzeitig gebe es auch immer wieder Leute, die auf eigene Faust neues Lesematerial dazustellen – Geschenke, die von der VHH ausdrücklich begrüßt werden.

Welche Bücher sich gerade in welchem Bus befinden, ist dagegen eine Überraschung: Die VHH verzichtet aus Kostengründen darauf, Buch über die gerade verfügbaren Exemplare zu führen. Eine Auflistung oder Verfolgung des Lesestoffs via Internet ist ebenfalls nicht möglich.
Dass es in den vergangenen Jahren praktisch keinen Vandalismus gegeben hat, habe die VHH selbst überrascht: „Die Regale sind aber etwas abgenutzt in sollen in Bälde überarbeitet werden“, so Beckmann.

Die Chancen, einen Bus mit Bücherregal zu erwischen, sind gar nicht mal gering. Bücherbusse werden auf den Linien 1, 2, 3, 11, 12, 15, 21, 22 und in einigen Nachtbussen eingesetzt. „Wir schauen, auf welchen Linien das Sinn macht“, sagt Beckmann. Insgesamt fahren einhundert Busse mit Sonderausstattung durch Hamburg und Schleswig Holstein, alle von außen gekennzeichnet durch ein spezielles Piktogramm. „Wenn es der Aufwand zulässt und je nachdem, ob es sich der zuständige Betriebshof leisten kann“, könnte das Projekt aber noch ausgeweitet werden, so Beckmann. Sicher sei hingegen, dass das ursprünglich zeitlich befristete Projekt auch in Zukunft weitergeführt wird.