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J E N S     W I E S N E R
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F R E I E R     J O U R N A L I S T  & 

F O T O G R A F

BEHIND THE SCENES

Gut abgehangen könnte man diesen Text nennen - schließlich ist er schon ein Jahr alt - und eine gute Mahnung davor, was passiert, wenn man in seinem ersten Jahr als Freier Journalist so viel Arbeit annimmt, dass es irgendwann nicht mehr zu schaffen ist.

Ich habe meine Notizen jetzt, ziemlich genau ein Jahr nach dem Termin, wieder hervorgekramt und versucht, daraus doch noch etwas zu stricken. Es ist nicht über alle Maßen schön geworden, aber: der Text ist endlich fertig! Mission accomplished - somehow.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 EIGENES

 

Extreme Hanglage ©Jens Wiesner

Grill-WM 2011: Fleischeslust mit Stolpergefahr

Beim "schrägsten Grillen der Welt" kann selbst der beste Grillmeister den Boden unter den Füßen verlieren. Dabei ist das Fun-Event nur Aufwärmübung für das ganz große Kräftemessen: die Grill- und Barbecue-Weltmeisterschaft 2011.

Als das Feuer vom Himmel fiel, wurde es für einen Augenblick ganz ruhig auf der Erde. Erst war da nur ein winziger Punkt am Horizont, mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen. Doch dann nahmen die Flammen Fahrt auf, rasten dem Boden entgegen, einen Schweif aus Rauch hinter sich her ziehend.

In der griechischen Sage stieg der Titan Prometheus zur Erde hinab, um den Menschen das Feuer zu bringen. In Gronau hat diese Aufgabe ein gewöhnlicher Sterblicher übernommen, Eberhard Gienger, Reck-Weltmeister von 1974, der jetzt an seinem Fallschirm vom Himmel gleitet. Ja, die Veranstalter des zwölften "World Grill and Barbecue Championship" wissen um die Macht des Feuers: Ohne die gewaltsame Aufspaltung von Kohlenwasserstoff zu CO2- und H2O blieben ihre Rinderbrüste weich, die Schweineschultern labbrig. Statt eines saftigen Steaks läge eine glibbrige Masse auf den Tellern der Fleischfreunde. Auch deshalb verpassten sie ihrem Zündstoff einen Auftritt, der es mit jeder olympischen Eröffnungsfeier aufnehmen konnte.

Fackelträger, Einlauf der Nationen, Fallschirmsprung. Auf den ersten Blick mag das übertrieben klingen. Schließlich sind es fast nur Europäer, die sich an diesem brütendheißen Wochenende im Mai 2011 zusammengefunden haben, um das leckerste Fünf-Gänge Menü der Welt (Spareribs, Hähnchen, Schweineschulter, Rinderbrust und Dessert) auf den Rost zu zaubern. Klein ist die Konkurrenz trotzdem nicht: Mehr als 70 Teams aus über einem Dutzend Nationen haben den Weg in die deutsche Grenzstadt gefunden. Nur, wer die Geschmacksknospen der Jury zu überzeugen vermag, hat eine Chance, sich mit der Krone des Weltgrillmasters schmücken. Trotzdem ist der Sieg für viele Teilnehmer nicht mehr als eine gute Beilage: "Natürlich wollen wir gewinnen", erklärt Werner Attinger, Chef des Schweizer Teams "gertau". Noch wichtiger seien ihm aber der Spaß am Rost und die Möglichkeit, gleichgesinnte Grillfreunde zu treffen.

©Jens Wiesner

Grillen in extremer Hanglage

"Make people happy, let’s barbecue and make friends around the world." So lautet der – zugegeben gut pathosgetränkte - Wahlspruch der Griller um Ivo van den Bosch, Präsident der World Barbecue Association (WBQA). Barbecue als Freizeitsport und Freundetreff - so hatte es schon Rolf Zubler verstanden. Der Schweizer ist Gründervater der WBQA, 1999 lud er zur ersten Weltmeisterschaft. Damals noch milde belächelt, hat sich die Veranstaltung zu einem festen Szenetreff europäischer Grillprofis und Küchenchefs gemausert.

"Für's Grillen machen wir halt alles", bestätigt Attinger. Acht Stunden Autofahrt haben der Restaurantbesitzer aus Bischofszell und seine Kumpels auf sich genommen, um pünktlich in Gronau zu sein. Nun hat das Team auf dem ehemaligen Gelände der Landesgartenschau Stellung bezogen. In wenigen Minuten soll am Abhang der Graspyramide das "schrägste Grillen der Welt" beginnen. Der Spaßwettbewerb dient als Probelauf für die streng reglementierte Weltmeisterschaft am Folgetag. Jedes Team erhält einen Picknickkorb mit Fleisch, Gemüse und einer unbekannten Zutat. Innerhalb von 180 Minuten müssen die Wettstreiter daraus drei schmackhafte Gänge zaubern. Selbst für die Profis von "gertau" eine Knochenarbeit. "Die stundenlange Stehen am Hang geht ganz schön in die Beine und in den Rücken", verrät Teammitglied Felicitas. Vor allem ist es aber die Hitze, die den Teilnehmern zusetzt: Immer wieder muss sich Werner Attinger Schweißperlen von der Stirn wischen. Einige tropfen in den Grill, verdampfen mit leisem Zischen in der Glut.

Gegen die Probleme des Teams aus Kongo-Brazzaville sind Werner Attingers Schweißausbrüche nur geringfügiger Natur. Zwei Mitglieder haben es nicht über die deutsche Grenze geschafft, Visa-Probleme. Aber das Prinzip Völkerverständigung funktioniert: Als der Österreicher Felix Kriechbaum vom Malheur des Teams erfuhr, sprang er kurzerhand in die Bresche. Jetzt steht der Fleischer mit den Afrikanern am Grillrost - und hilft gleichzeitig als Dolmetscher aus.

Kühlergrill ©Jens Wiesner

Von der Flamme geküsst ist out

Auch wenn der Spaß im Vordergrund steht - unvorbereitet kommen nur die wenigsten Teams zum Hanggrillen: Bevor "Feuer und Eisen" aus Deutschland ihren Grill überhaupt anfeuern, klappen sie eine eigens präparierte Bierzeltgarnitur aus, um die störende Neigung auszugleichen. Die "Klippengriller" schwören bei der Zubereitung auf einen Apfelentkerner, um die schnöde Pflichtbratwurst mit einer Füllung aus Käse, Zwiebeln und Chili zu veredeln. Und die Esten von den "Smoked Pinoneers" haben Bier aus der Heimat mitgebracht. Für das Grillgut und gegen den eigenen Durst, versteht sich.

"Mit einem echten Barbecue hat diese Aktion natürlich nichts zu tun", merkt der Teamchef der Esten an und deutet auf den silbernen Säulengrill, der allen Teilnehmern gestellt wurde. Fleisch über offenem Feuer, Grillkohle als Brennstoff, schnelle Garzeiten bis zu 30 Minuten - das klassische Grillprinzip ist längst out. Die Profis schwören stattdessen auf Barbecue. Der offene Grill wird dabei durch einen Smoker ersetzt, in dem Fleischstücke in einem geschlossenen Raum - ähnlich wie in einem Ofen - langsam vor sich hin garen und geräuchert werden können. Statt Kohle werden - je nach Fleischsorte - unterschiedliche Hölzer als Hitzequelle genutzt, um dem Grillgut besondere Farbe und Beigeschmack zu verleihen. Soviel Perfektion braucht ihre Zeit: Große Fleischstücke wie Braten oder Spare-Rips benötigen mitunter 20 Stunden.

Wahre Hardcore-Barbecuer lassen es sich nicht nehmen, ihre Smoker selbst zu bauen: aus alten Kesseln, Betonmischern, ja sogar aus Autos: Die WM-Sieger von 2010, die polnischen "BBQ Fire Horns", haben einen alten Fiat 500 mitgebracht, der zum Smoker umfunktioniert wurde: Im Heck des pechschwarzen Kleinwagens glüht die Grillkohle, der Innenraum dient als Räucherkammer und oberhalb des Kühlergrills brutzelt – ganz klassisch - eine Bratwurst. Auch Werner Attinger hat selbstgebaut: Um seinen mehrere Meter hohen Silo-Smoker "Atti 2" nach Gronau zu verfrachten, musste ein spezieller Anhänger her. Doch trotz aller Finesse - für den WM-Sieg reicht es doch noch nicht: Am Ende des Wochenendes landet Team "gertau" im Mittelfeld auf Platz 44 (von 73). Beim "schrägsten Grillen" reicht es zumindest für den vierten Platz (von 22). Womit wir wieder bei Olympia wären: Dabeisein ist eben doch alles.